Mythos

„versteckter Mangel“

Mythos - „versteckter Mangel“

Einer der großen Mythen im Baurecht ist der sogenannte „verdeckte“ oder „versteckte“ Mangel. Da beide Begrifflichkeiten dasselbe aussagen sollen, wird im Nachgang nur noch vom versteckten Mangel gesprochen.

Dieser wird immer wieder bemüht und ist „nicht totzukriegen“.

Hierbei soll es sich um einen Mangel handeln, der erst nach Abnahme entdeckt wird. Ein Grund für diese späte Entdeckung ist in der Regel, dass der Mangel aufgrund des Baufortschritts und der damit einhergehenden Überdeckung nicht mehr ohne weiteres vorher entdeckt werden konnte.

Die Besonderheit für diesen sogenannten „versteckten Mangel“ soll darin liegen, dass dessen Verjährungsfrist (früher Gewährleistungsfrist) erst mit der Entdeckung des Mangels beginnen soll. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Mythos. Einen solchen „versteckten“ Mangel mit der gewünschten Rechtsfolge gibt es nicht.

Streng genommen ist nahezu jeder Mangel ein „versteckter“ Mangel. Andernfalls wäre er wohl bereits zum Zeitpunkt der Abnahme aufgetreten.

Und genau für diesen Fall des später auftretenden Mangels hat der Gesetzgeber die fünfjährige Verjährungsfrist für Mängelansprüche gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB vorgesehen. Die gesetzliche Verjährungsfrist beruht auf der Überlegung, dass aus Sicht des Gesetzgebers Baumängel innerhalb von fünf Jahren hervortreten (siehe hierzu z.B. BGH, Urteil vom 08.03.1984 – VII ZR 349/82).

Im Ergebnis heißt das, der Auftraggeber hat fünf Jahre Zeit, Mängel zu rügen, die in dieser Zeit auftreten. Statt dieses „verdeckten“ bzw. „versteckten“ Mangels gibt es allerdings einen arglistig verschwiegenen Mangel, der damit oft verwechselt wird.

Die Mängelansprüche im Falle eines arglistig verschwiegenen Mangels verjähren gemäß § 634a Abs. 3 BGB innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Diese beträgt zwar nur drei Jahre, sie beginnt jedoch erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und der Auftraggeber hiervon Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen konnte (§ 199 Abs. 1 BGB). Dies kommt der Idee des „versteckten“ Mangels insoweit recht nahe, als der Beginn der Verjährungsfrist an die Kenntnis vom dem Mangel geknüpft ist.

Der arglistig verschiedene Mangel ist jedoch ein absoluter Ausnahmefall. Er liegt nur vor, wenn der Auftragnehmer bewusst mangelhaft leistet und den Mangel trotz sicherer Kenntnis nicht mitteilt (siehe hierzu z.B. OLG Celle, Urteil vom 10.06.2010 – 16 U 3/10). Hierbei muss der Auftraggeber die Kenntnis des Auftragnehmers nachweisen. Dies ist praktisch nur den allerseltensten Fällen möglich.

Damit sich keiner, insbesondere kein Generalunternehmer, hinter dem Argument verstecken kann, man würde sich mit der Baustelle nicht weiter beschäftigen und die Nachunternehmer nicht überprüfen und könne daher mangels entsprechender Kenntnis nie mit arglistig verschwiegenen Mängeln konfrontiert werden, hat die Rechtsprechung die Haftung für arglistig verschiedene Mängel noch auf die Fälle des sogenannten Organisationsverschuldens erweitert.

Damit ist der Fall gemeint, dass jemand die von ihm geschuldete Werkleistung durch Dritte ausführen lässt, ohne deren Arbeitsleistung und Ergebnis zu überprüfen (so z.B. BGH, Urteil vom 30.11.2014 – X ZR 43/03). Wenn jemand solche Mängel in seiner Organisation aufweist der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre,
gelten für die Verjährung der Mängelansprüche die Regeln wie bei einem arglistig verschiedenen Mangel (BGH, Urteil vom 30.11.2014 – X ZR 43/03). Aber auch dieser Nachweis gelingt praktisch nur in den seltensten Fällen.

Es bleibt also festzuhalten, dass es sich bei dem versteckten Mangel um einen Mythos des Baurechts handelt. Einen solchen „versteckten“ Mangel mit der gewünschten Rechtsfolge gibt es nicht.

Autoren

Tanja Nein

Rechtsanwältin

Martin Ries

Rechtsanwalt